Was ist los im Hause Tiscali? Zahlreiche ehemalige Kunden sind sauer. Der Provider, dessen Kunden mittlerweile von freenet.de übernommen wurden, verschickte Anfang dieses Monats alte Rechnungen und buchte die Beträge einfach von den Konten der Rechnungsempfänger ab. Zwar handelte es sich nur jeweils um Forderungen zwischen 50 Cent und einem Euro, aber viele der Rechnungen waren bereits verjährt und somit hinfällig.
Rechnung nach fünf JahrenWerner H.* schildert seinen Fall der Redaktion: Am 9. Februar dieses Jahres buchte Tiscali 75 Cent von seinem Konto ab. Nachdem sich der ehemalige Tiscali-Kunde per E-Mail beschwert hatte, bekam er am 13. Februar eine Rechnung zugestellt. Tiscali berechnete ihm Internetverbindungen von März 2002 bis Oktober 2003. "Ob die Forderung berechtigt ist, kann ich nach so vielen Jahren nicht mehr nachvollziehen", klagt Werner H.
Zu dieser Zeit war er nach eigenen Angaben Kunde von Addcom und Econet, die damals zu Tiscali gehörten. Aber auch die Kundennummer aus der Rechnung ist Werner H. völlig unbekannt. Der Ex-Kunde schrieb eine weitere E-Mail an Tiscali und forderte den Provider auf, den in Rechnung gestellten Betrag bis zum 21. Februar auf sein Konto zurück zu überweisen. Die Frist lief ab, eine Antwort oder eine Rückbuchung erfolgte bis heute nicht.
Rechnungen verjährtWerner H. ist aber bei weitem kein Einzelfall: Die Rechnungen, von denen zahlreiche unserer Redaktion vorliegen, beziehen sich alle auf Internetzugänge aus den Jahren 2002 bis 2005. Darüber sprachen wir mit dem Hürther Rechtsanwalt Tim Remmel: "Forderungen verjähren nach Paragraf 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs grundsätzlich nach drei Jahren." Die Verjährungsfrist startet nach seinen Aussagen aber erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Forderung entstanden ist. Erbringe ein Provider beispielsweise eine Leistung im Januar 2007, so beginne die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des 31. Dezember 2007. "Die Verjährung würde dann grundsätzlich mit Ablauf der dreijährigen Frist am 01.01.2011 eintreten", sagt Rechtsanwalt Remmel.
Somit dürften zahlreiche Forderungen hinfällig sein, die Tiscali nun nachträglich eintreiben möchte. Einige weitere Kunden haben sich nun bereits beim Provider beschwert und dieser sicherte zu, die unrechtmäßig eingezogenen Beträge zurückzubuchen. Bislang ist dies aber noch nicht geschehen. In der Pressestelle von Tiscali ist bereits niemand mehr zu erreichen. Nachdem freenet.de das deutsche Internetzugangsgeschäft übernommen hatte, wurde die Abteilung geschlossen.
Widerspruch noch ohne WirkungLicht ins Dunkel bringt letztendlich Simone Heimplätzer, Sekretärin des Geschäftsführers bei Tiscali. Beim Verkauf des Internetzugangsgeschäfts sei laut Heimplätzer auch die Buchhaltung "aufgeräumt" worden. Vor einigen Jahren gab es laut Heimplätzer bei Tiscali noch eine Rechnungsschwelle von einem Euro. Alle Rechnungen, die darunter lagen, wurden nicht verschickt. Diese Schwelle sei aber vor einiger Zeit auf 50 Cent herabgesetzt worden.
Auf diese noch ausstehenden Beträge sei der Provider nun aufmerksam geworden und habe sie jetzt nachträglich berechnet. Daher sei es auch der Fall, dass ausschließlich Summen zwischen 50 Cent und einem Euro nachträglich eingefordert wurden. "Unser Fehler war aber, dass wir den Kunden auch Altlasten berechnet haben, bei denen die Verjährungsfrist bereits verstrichen ist", sagte Heimplätzer. Es würde aber noch zwei bis drei Wochen dauern, bis die Rückbuchungen erfolgen. "Das geht leider nicht von heute auf morgen, die Rückbuchungen müssen erst wieder durch den gesamten Bankprozess laufen", so Heimplätzer.
Abrechnungsfehler bei TiscaliAlle ehemaligen Kunden, die verjährte Rechnungen von Tiscali erhalten haben, sollen sich laut Provider weiterhin an die Tiscali-Hotline wenden. Diese ist unter 01805 - 847 22 54 erreichbar. Rechtsanwalt Remmel empfiehlt jedoch: "Bevor man als Kunde die Abbuchung wieder zurückbuchen lässt, sollte man sorgfältig prüfen, ob diese nicht eine unverjährte Forderung betrifft". Andernfalls bestehe die Gefahr, sich bei der Rückbuchung einer berechtigten Forderung schadenersatzpflichtig zu machen, unter anderem da dem Gläubiger dadurch Gebühren berechnet werden.
Wer keinen Widerspruch erhebt, wird sein Geld wohl nicht wieder sehen. Auch wenn es sich nur um Centbeträge handelt: Für Tiscali wäre es ein nachträglicher Geldsegen. Denn selbst kleine Beträge können sich auf stattliche Beträge summieren, wenn nur genug Rechnungen verschickt werden.
Quelle :
www.onlinekosten.de