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AUFSTIEG ASIENS - Der Westen muss sich wehren - oder er scheitert
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Thema: AUFSTIEG ASIENS - Der Westen muss sich wehren - oder er scheitert (Gelesen 718 mal)
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SiLæncer
Cheff-Cubie
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AUFSTIEG ASIENS - Der Westen muss sich wehren - oder er scheitert
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am:
19 September, 2006, 12:27 »
Im Weltkrieg um Wohlstand kämpfen die Angreiferstaaten Asiens mit brutalen Methoden: Sie ertragen im Land bittere Armut und verursachen gigantische Umweltzerstörung. Ihr Aufstieg ist unser Abstieg - es sei denn, der Westen überwindet seine Angst und schmiedet ein Abwehrbündnis.
Nach 1945 entstand die Nato als westliches Verteidigungsbündnis. Ihre Kampfverbände bereiten keinen Angriffskrieg vor, gleichwohl müssen sie das Undenkbare denken und planen - und dann und wann sogar mit Einsatz drohen.
Wer auch immer eine Lücke in ihrem Waffenarsenal erblickt, ist verpflichtet, Alarm zu schlagen, selbst auf den Verdacht hin als Kriegstreiber zu gelten. Es bleibt Helmut Schmidts Verdienst, Ende der siebziger Jahre die Aufrüstung der Sowjetunion mit SS20-Raketen gesehen und in ihrer Bedeutung erkannt zu haben. Der Westen hatte diesen Mittelstreckenraketen, die auf Westeuropa gerichtet waren, nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Er war bedroht, auch wenn eine Mehrheit der Deutschen diese Bedrohung nicht sah und nicht fühlte.
Sogar die eigenen Genossen empfanden den Ex-Oberleutnant Schmidt als Übertreiber und einige bezichtigten ihn sogar, ein Kriegslüstling zu sein. Sein Werben für Pershing und Cruise Missiles wurde von wütendem Protest begleitet. Die Nachrüstung kam, als Schmidt längst gegangen war.
In der heutigen Wirtschaftswelt ist mit dem Auftauchen und Erstarken der Wirtschaftsmacht China eine vergleichbare Sicherheitslücke entstanden. Die europäischen Freihändler stehen einer gelenkten Marktwirtschaft gegenüber, auf die sie gedanklich nicht vorbereitet sind. Im Weltkrieg um Wohlstand ist ein Rivale aufgetaucht, der gewillt ist, das volle Instrumentarium staatlicher Protektion für sich zu nutzen.
China wird von einem Bankensystem bewässert, das nach anderen als nach Rentabilitätskriterien funktioniert. Die Zölle umgeben ganze Industrien wie einen Schutzwall. So will der Schuhexporteur China auf keinen Fall ein Schuhimporteur sein. Der Inlandsmarkt wird mit einem 27-prozentigen Preisaufschlag regelrecht abgesperrt.
Das geistige Eigentum fremder Firmen dagegen wird mit leichter Hand und ohne Entschädigung enteignet. Die chinesische Währungspolitik wirkt wie eine große Exportsubvention, weil sie die Preise der Ausfuhrware künstlich verbilligt.
China versteht es wie kein anderes Land der Welt, über Marktwirtschaft zu reden und Staatswirtschaft zu betreiben. Die Führung des Landes folgt erkennbar nicht dem Fixstern des Freihandels, auch wenn sie sich in internationalen Verträgen dazu verpflichtet hat.
China verspricht Abhilfe - und tut nichts
Europa schaut wie gebannt auf das fernöstliche Treiben. Das alte Ideal des unbedingten Freihandels verblasst, ohne dass bisher ein neues an seine Stelle getreten wäre. Es gibt keinen Konsens außer den einer kollektiven Empörungskultur, womit die chinesische Staatsführung zu leben gelernt hat. Besucher mahnen faire Handelsbedingungen an, fordern den Schutz geistigen Eigentums, äußern sich kritisch zur Rolle der Währungspolitik. Mit unbewegten Mienen nehmen Chinas Staats- und Regierungschef das westliche Wehklagen entgegen, sie bitten um Verständnis, sie versprechen Abhilfe, um seit anderthalb Jahrzehnten nichts zu unternehmen.
Zu einem Wechsel vom Handel zur Handelspolitik konnte sich Europa bisher nicht entschließen. Wer das Wort Protektion nur ausspricht, riskiert Verdächtigungen aller Art. Den Männern der Wirtschaft schwillt der Kamm, Politiker rollen mit den Augen. So ist es seit jeher. Aber: So wird es nicht bleiben. Die neue Zeit dürfte schon bald eine Kurskorrektur erzwingen. Es geht nicht darum, mit leichter Hand die Festungsmauern hochzuziehen.
Aber es geht darum, ihre Bauteile zu fertigen und vorzuzeigen, mit dem erklärten Ziel, sie niemals benutzen zu wollen. Europa in seiner heutigen Verfassung ist ein wirtschaftspolitischer Pazifist, den schon der Gedanke an die eigene Wehrhaftigkeit mit Unwohlsein erfüllt.
Der alte Kontinent hat den Waffen des modernen Wirtschaftskrieges abgeschworen, weil man glaubte, der Freihandel werde im Selbstlauf für Wohlstand und Wachstum sorgen. So kommt es, dass ausgerechnet jene Kreise aus Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, die sich selbst für hochrational und am wenigsten schwärmerisch halten, als die großen Träumer vor uns stehen. Was einst über die Totalverweigerer, Friedensmarschierer und Blockierer von Mutlangen gesagt wurde, trifft auf sie heute auch zu: Sie sind gutmütig und deshalb gefährlich. Sie wissen viel und sind dennoch unfassbar naiv.
Europa täte gut daran, für Waffengleichheit zu sorgen
Die Frage lautet ja heute nicht: Sollte weltweit der Freihandel beendet werden? Auch Helmut Schmidt hat nicht die Entspannungspolitik beendet und ist gegen die Sowjets ausgerückt. Die Frage lautet vielmehr: Wann nimmt der Kontinent zur Kenntnis, dass es einen lupenreinen Freihandel nur im Denken europäischer Wirtschaftspolitiker gibt, nicht aber im wahren Leben der Staaten? Die Handelskonditionen sind für China eine Frage der Nützlichkeit, nicht des Glaubens. Europa täte gut daran, für Waffengleichheit zu sorgen.
Amerika ist unter dem Druck der Ereignisse längst vom einst propagierten Ideal abgerückt. Der Staat schützt und fördert seine Wirtschaft wo er nur kann. Die Stahlindustrie und die Farmer stehen unter seinem besonderen Schutz. Bei Medienunternehmen dürfen Ausländer keinen beherrschenden Einfluss gewinnen. Die Betreiber von Hafenanlagen konnten sich erst kürzlich dank einer Intervention des US-Kongresses einem ausländischen Aufkäufer entledigen. Die Verletzung von Markenrechten und Softwareklau wird den Asiaten von höchster Stelle vorgehalten. Für die chinesische Textilindustrie wurden Einfuhrquoten festgelegt, deren Überschreitung die Zollbehörden auf den Plan ruft.
Importe und Exporte sind in den Augen von Demokraten und Republikanern keine Naturgewalten, die gottgegeben hineinfluten und hinausschwappen. Die Handelströme werden als Produkte des politischen Willens betrachtet, des eigenen und des der anderen.
Der Handelsbeauftragte des US-Präsidenten ist Mitglied des Kabinetts. Der Präsident selbst besitzt in Handelsfragen nur ein eingeschränktes Mandat, das auch mitten in der Legislaturperiode erneuert oder verweigert wird. Die Abgeordneten fordern Rechenschaft über die Bedingungen des Welthandels.
Eine Autorität, die auch abstrafen darf
Eine Vielzahl von Universitätslehrstühlen und privaten Denkfabriken befasst sich seit jeher praxisnah mit dem Instrumentarium der Handelspolitik, da sich auch in Wirtschaftsfragen eine multipolare Welt herausgebildet hat. Der neue Finanzminister Henry Paulson, einst Chef der Investmentbank Goldman Sachs, hat schon am Tag seiner Ernennung den Asiaten den Kampf angesagt: Er werde den internationalen Freihandel vorantreiben, sagte er, was für ihn auch bedeute, darauf zu achten, "dass sich unsere Handelspartner an die Spielregeln halten".
Die Kritiker einer Handelspolitik führen vor allem das Preisargument ins Feld. Eine derartige Politik schade am Ende nur den Verbrauchern, weil die günstigsten Anbieter nicht mehr zum Zuge kommen. Wer so spricht, der unterschlägt, dass die Verbraucher nicht nur nach billigen T-Shirts und günstiger Elektronik verlangen, sondern auch nach einem eigenen Arbeitsplatz. Hinzu kommt: Selbst die Verbilligung im Laden ist womöglich nicht von Dauer.
Gelingt es einem Herstellerland, den Weltmarkt zu dominieren und die Konkurrenz zu vernichten, ist es mit den Dauertiefstpreisen schnell vorbei. Der Verbraucher aber hat an Monopolen und Kartellen kein Interesse, weshalb kluge Handelspolitik immer auch Anti-Monopolpolitik ist. Sie muss den Gedanken des Kartellrechts, den Ludwig Erhard zum Erhalt der Marktordnung als zwingend ansah, in den internationalen Raum übertragen. Denn die Weltmärkte funktionieren unter dem Diktat von Kartellen und Monopolen ähnlich schlecht wie die heimischen.
Der günstige Preis einer Ware ist immer ein - aber nicht das alleinige - Kriterium für den Handel. Wer den Wohlstand seiner Nation (und nicht den des Importeurs) dauerhaft steigern will, muss genauer hinschauen. Die liberale Wirtschaftsordnung ist liberal nur innerhalb ihres Ordnungsrahmens. Zu dessen Durchsetzung bedarf sie einer Autorität, die auch abstrafen und kontrollieren darf. Sie muss sich interessieren dürfen für das, was auf den Märkten geschieht. Wer liefert da? Zu welchen Bedingungen? Wie kam der Preis der Ware zustande? Und welche Gründe zugunsten der heimischen Produktion gibt es außerhalb der Preisliste?
Seid wachsam, denn wir sind es auch
Das Drohen mit Quoten, Zöllen und Einfuhrverboten ist dabei wichtiger als der Vollzug. Die internationale Handelspolitik gleicht nun mal einem Pokerspiel, in dem der eine den anderen zu übertrumpfen versucht, weil der Friedfertige immer auch der Dumme ist. Wer die Trumpfkarten aus ideologischen Grünen beiseite legt, wird die Partie schwerlich für sich entscheiden können.
In Westeuropa ist es zu einer merkwürdigen Ungleichzeitigkeit im politischen Handeln gekommen. Einerseits interessieren sich die Europäer sehr dafür, was jenseits der Landesgrenze mit Luft, Wasser und ihrem investierten Kapital passiert: Es gibt Umweltschutzabkommen und Verträge über den Schutz ausländischer Investitionen mit mittlerweile über hundert Ländern.
Der Staat achtet ebenfalls darauf, dass kein schmutziges Geld seine Grenzen passiert. Millionen aus Drogenschmuggel, Menschenhandel und illegalen Waffengeschäften wird mit allen Möglichkeiten moderner Kriminalistik nachgespürt. Es wird geschnüffelt und beschlagnahmt, was die Schwarzgeldverschieber unter Stress setzt. Der Staat gewinnt die Partie nicht automatisch, aber er weicht dem Spiel zumindest nicht aus. Er tut was er kann. Seine Botschaft an die Kriminellen ist klar: Seid wachsam, denn wir sind es auch. Es gibt kein rechtsfreies Hinterland.
Selbst bei der Einfuhr von Lebensmitteln wird genau hingeschaut. Die Lebensmittelgesetze von Vietnam oder Marokko gelten in Vietnam und Marokko und müssen uns nicht weiter interessieren. Was aber zum Verzehr in Deutschland, Frankreich und Italien auf den Tisch kommt, regeln die europäischen Einfuhrbestimmungen.
Die Ware Arbeit genießt weniger Schutz als Bienen
Sie dienen der Protektion, also dem Schutz der heimischen Bürger, weil es einen Konsens darüber gibt, dass Ernährung einen Wert und nicht nur einen Preis hat. Der Zugang auf nahezu allen sensiblen Märkten ist auf diese Weise reglementiert. Der Verkauf von Arzneimitteln ist nicht ins Belieben indischer Pharmakonzerne gestellt. Es gelten für den Verkauf in Europa die Zulassungsregeln der EU, die von einer eigenen Behörde überprüft werden.
Ein Atomkraftwerk vom russischen Tschernobyl-Erbauer hätte nirgendwo in Westeuropa die Chance, eine Zulassung zu erhalten. Automobile ohne moderne Katalysatortechnik würden vom Zollamt abgewiesen. Die Sicherheitsstandards setzt aus gutem Grund das Land, in dem die Ware verkauft werden soll. Entscheidend sind die nationalen Bestimmungen, nicht für das Angebot, wohl aber für die Nachfrage - womit die Nachfrage allerdings oft auch das Angebot verändert.
Die Ware Arbeitskraft genießt heute weniger Schutz als Bienen und Krabben. Treffen im Tiefkühlregal Krabben aus der deutschen Nordsee und Shrimps aus China aufeinander, können die Kunden beruhigt sein: Für beide gelten die gleichen Gesetze über verbotene Zusatzstoffe und auch die Menge der bei der Aufzucht eingesetzten Antibiotika wird von den Lebensmittelämtern streng kontrolliert. Kühl heißt es in einer Mitteilung Deutschen der Zollverwaltung vom 25.11.2005:
"Bei verschiedenen aus China eingeführten Lebensmitteln wurden in der Vergangenheit immer wieder das Antibiotikum Chloramphenicol festgestellt. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben deshalb die gewerbliche Einfuhr von Erzeugnissen tierischen Ursprungs verboten. Ein Kontrollbesuch, bei dem Sachverständige der Gemeinschaft vor Ort in China beträchtliche Mängel festgestellt haben, hatte zu diesem Verbot geführt. Davon betroffen sind grundsätzlich alle Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die zum menschlichen oder tierischen Verzehr bestimmt sind. Dazu gehören vor allem Lebensmittel wie Shrimps, Geflügel, Kaninchenfleisch und auch Honig."
Kapitalismus der urwüchsigen Art
So schützt die Bundesrepublik ihre Landsleute und erzieht ihre Lieferanten. Der Kunde entscheidet - und da, wo er selbst die Wahl nicht treffen kann, schützt ihn seine Nation, ohne davon großes Aufhebens zu machen. Ganz selbstverständlich ist es heute so: Der Lebensmittelmarkt steht unter der besonderen Protektion der Europäischen Union.
Nur die Ware Arbeitskraft bildet eine seltsame Ausnahme. Sie unterliegt heute nahezu keiner Bestimmung, für sie herrscht im internationalen Handel ein Kapitalismus der urwüchsigen Art. Die eingeführte Arbeit kann so billig sein wie sie will, sie kann unter menschenverachtenden Bedingungen erbracht werden, sie darf alle zu Hause geltenden Standards - von der Arbeitshygiene über die Frauengleichberechtigung bis zum Verbot der Kinderarbeit - großzügig unterbieten, und niemand im Zollamt interessiert sich dafür. Die Arbeitskraft ist von allen handelbaren Gütern die freieste; sie reist unbehelligt ein, unsere Wert- und Preisvorstellungen sind für sie suspendiert.
Treffen am Ladentisch zwei Mobiltelefone aufeinander, interessiert sich niemand dafür, dass sie zu unterschiedlichen sozialen Bedingungen hergestellt wurden. Das eine enthält alle sozialen Verpflichtungen eines entwickelten Industrielandes, von der geregelten Arbeitszeit bis zum Mutterschaftsschutz. Das andere entstand zu den Bedingungen der kapitalistischen Urgesellschaft, in der die Arbeiter nicht viel mehr Rechte genießen als ein Hofhund. Das klingt links und aufrührerisch, dabei beschreibt es lediglich die Realität einer globalen Wirtschaftswelt, in der sich die verschiedenen Epochen beim Warenaustausch ständig begegnen.
Das Zeitalter der Sozialstaaten trifft auf die Ära des Manchester-Kapitalismus. Und plötzlich sehen die, die sich für modern hielten, ziemlich alt aus.
Quelle :
www.spiegel.de
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Mega-Cubie
Beiträge: 212
Tux-Bastler
Re: AUFSTIEG ASIENS - Der Westen muss sich wehren - oder er scheitert
«
Antwort #1 am:
19 September, 2006, 13:04 »
Traurig aber wahr.
Die "westliche Welt" muss wirklich reagieren.
Wenn ich die aktuelle Tendenz nehme und damit 10Jahre weiter denke dann seh ich schwarz für unsere Wirtschaft.
Jürgen
der Löter
User a.D.
Beiträge: 4999
white LED trough prism - WTF is cyan?
Re: AUFSTIEG ASIENS - Der Westen muss sich wehren - oder er scheitert
«
Antwort #2 am:
19 September, 2006, 21:49 »
Ich möchte anstandshalber darauf hinweisen, dass ich
nicht
Autor obigen Artikels bin, obwohl ich (auch) hier schon oft sehr ähnlich argumentiert habe
Allerdings befürchte ich, dass unsere Politiker und Bosse diesen leider sehr zutreffenden Text nicht lesen werden.
Oder wenn doch, nicht verstehen...
Oder wenn doch, trotzdem weiterhin ihren eigentlichen Herrn oder Ideologien blind folgen...
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SiLæncer
Cheff-Cubie
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WESTBÜNDNIS GEGEN ASIEN - Drei Gründe für eine Nato der Wirtschaft
«
Antwort #3 am:
22 September, 2006, 11:57 »
Die Asiaten sind die freundlichsten Angreifer der Weltgeschichte. Trotzdem muss die Politik rasch auf den Aufstieg Chinas und Indiens reagieren. In Angela Merkels Kanzleramt wird über Geschichtsmächtiges nachgedacht: eine europäisch-amerikanische Freihandelszone.
Berlin - 50 Jahre lang wurde es von vielen bestritten, heute weiß es jedes Kind: Ohne die Nato gäbe es kein freies Europa. Hätte das westliche Verteidigungsbündnis nicht mit großer Entschlossenheit immer wieder seine Kampfbomber und Panzerdivisionen vorgezeigt, modernisiert und sie zuweilen auch aufgestockt, wäre der Sowjetkommunismus nicht implodiert, sondern in Richtung Westen expandiert. Am Ende des Kalten Krieges hatten auch die letzten Skeptiker den Clou der Geschichte verstanden: Das Edelste wurde gerade dadurch verteidigt, dass man zum Grausamsten bereit war. Die Friedenstaube überlebte, weil oben auf der Zinne der Falke saß.
Der Weltkrieg um Wohlstand verlangt eine andere, aber nicht minder widersprüchliche Antwort. Und wieder fehlt vielen die Phantasie, sich vorzustellen, dass das Gegenüber anderen als friedlichen Zielen nachhängt. Das Irritierende, den Westen in seiner Entschlusskraft Lähmende, ist die Lautlosigkeit des gegnerischen Vorgehens. Es steht in einem auffälligen Kontrast zu allem, was wir gewöhnlich einen Konflikt nennen.
Zwischen Europa und Amerika auf der einen und Asien auf der anderen Seite wurde bisher nicht gebrüllt, getobt oder geschossen, niemand droht, fordert oder klagt an. Es regiert die reinste Freundlichkeit, wohin unsere Politiker und Geschäftsleute auch reisen. In Peking, Jakarta, Singapur und Neu-Delhi liegen die roten Teppiche ausrollbereit am Flughafen, die westlichen Hymnen werden bei Bedarf akkurat vorgespielt und selbst die westlichen Klagen über Ideenklau, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzung parieren die Gastgeber mit bewundernswertem Langmut. Die Asiaten sind die freundlichsten Angreifer der Weltgeschichte.
Eine stoische, eine düstere Großmacht
Ihre Waffe ist die stoische Beharrlichkeit, mit der sie ihre Interessen verfolgen und unsere missachten. Was in Asien nach Marktwirtschaft aussieht, folgt in Wahrheit den Regeln einer Gesellschaftsformation, die Ludwig Erhard als "Termitenstaat" bezeichnete. Das Kollektiv, nicht das Individuum setzt in ihm die Prioritäten, weist dem Einzelnen auf geheimnisvolle und für den Außenstehenden kaum nachvollziehbare Weise seine Aufgaben zu, die dem höheren Nutzen der Führung zu dienen haben. So viel Freiheit wie nötig, so viel Kollektiv wie möglich, lautet die Maxime, die genauso unausgesprochen bleibt wie all die anderen Dinge. China ist dem Wortsinne nach eine düstere Großmacht, weil wir nicht fühlen, was sie fühlen, nicht wissen, was sie denken, und nicht einmal ahnen, was sie planen.
Überall in Asien stoßen wir auf eine sehr ähnliche Gleichgültigkeit gegenüber den westlichen Werten, auch wenn das keiner so sagen würde. Gerade das Unausgesprochene trennt die Welten voneinander. Freie Gewerkschaften werden nicht geschmäht, aber auch nicht zugelassen. Die Umwelt wird als schützenswertes Gut gepriesen und gleichzeitig wie ein Autowrack ausgeschlachtet. Kinderarbeit wird verurteilt und toleriert. Zum Schutz westlicher Erfindungen gibt es umfangreiche Gesetze, die nur leider keine Anwendung finden.
Alles, was uns wichtig ist, die soziale Umrahmung des Arbeitsalltags beispielsweise, der individuelle Leistungsgedanke und seine Verankerung in der vom Staat garantierten Wettbewerbsordnung, wird von den Mitgliedern der asiatischen Elite höflich belächelt. Das für uns Elementare ist in ihren Augen bürgerlicher Brokat.
In ihrem Denken spielt der Staat (Indien) oder die Partei (China) die entscheidende Rolle als Preisfestsetzer, Technologieförderer, Rohstoffbeschaffer, Schutzpatron und Impulsgeber für wirtschaftliche und politische Aktivitäten aller Art. Selbstverständlich kennen auch ihre Gesellschaften den Interessenausgleich, betreiben einen Prozess des Gebens und Nehmens, aber es sind Staat oder Partei, die bestimmen, was gegeben und was genommen wird. Den triumphalen Erfolg ihrer Exportindustrien empfinden sie als Richterspruch der Geschichte, der keine Berufungsinstanz benötigt.
Der Westen verkauft Maschinen - und ein Stück von sich selbst
Amerikaner und Europäer könnten mit der gebotenen Liberalität auf das andere Menschenbild und das uns fremde Staatsverständnis blicken, würde es nicht in einer Welt des freien Handels zu enormen Rückkopplungen kommen. Der Westen wird, wo kein Schiedsrichter auf die Einhaltung gleicher Regeln pocht, zur raueren Spielweise ermuntert, gedrängt, zum Teil durch die Verhältnisse regelrecht gezwungen. Will er nicht an jedem Handelstag als Verlierer vom Platz gehen, muss auch er seine Betriebsräte domestizieren, seine Umweltgesetze lockern und die soziale Absicherung stückweise wieder an die Familie oder den Einzelnen zurück überweisen.
Der Westen glaubt, er verkaufe Maschinen, Automobile und Flugzeuge. Doch als Beigabe verkauft er mittlerweile auch ein Stück von sich selbst. Nicht wenige Politiker und Unternehmer sind bereit, Selbstmord aus Angst vor dem Tode zu begehen.
Dabei wäre mehr Selbstbewusstsein durchaus angebracht. Die Weltgeschichte trifft keine Festlegungen aus sich heraus. Eine Lösung oder doch zumindest Linderung unserer Probleme ist durchaus möglich.
Was die Nato im Zeitalter militärischer Bedrohung für den Westen bedeutete, könnte im Angesicht der ökonomischen Herausforderung eine transatlantische Freihandelszone leisten. Zwei Wirtschaftszonen, die EU und die USA, vielleicht noch um Kanada erweitert, würden dem Schwinden ihrer jeweiligen Marktmacht durch die Addition der Kräfte entgegenwirken. Gemeinsam bringen Europäer und Amerikaner noch immer einiges Gewicht auf die Waage. Rund 13 Prozent der Menschheit und rund 60 Prozent der heutigen Weltwirtschaftskraft stünden bereit, nicht nur als Produzenten und Konsumenten von Waren, sondern auch als Nachfrager und Anbieter von Werten aufzutreten.
Es gibt wenige Gründe, gegen Amerika zu sein
Drei Gründe sind es, die der Idee ihren Charme verleihen, und der erste Grund ist ein politischer. Amerikaner und Europäer würden im Licht dieser Kooperation wieder dichter zueinander rücken. Der kindischen und in Anbetracht der asiatischen Herausforderung sogar schädlichen Versuchung, sich auf Kosten des jeweils anderen in Pose zu werfen, würde die Grundlage entzogen. Es gibt viele Gründe, gegen Bush zu sein. Es gibt aber wenige Gründe, gegen Amerika zu sein. Und es gibt viele handfeste Gründe, auch auf ökonomischem Gebiet stärker mit der westlichen Führungsmacht zu kooperieren.
Die im Kalten Krieg bewährte Waffenbrüderschaft könnte im Weltwirtschaftskrieg fortgesetzt werden, wobei das Ziel, Freiheitserhalt und Wohlstandsmehrung, das alte bliebe und nur das Instrument sich verändert hätte. Es käme im Zuge einer solchen Freihandelszone unweigerlich zur Konvergenz der Wirtschaftssysteme; Europa würde amerikanischer, die USA müssten sich europäisieren, wenn auch beides in einem langsamen und Jahrzehnte währenden Prozess.
Wer alle Handelsbarrieren niederreißt, die Standards für Buchführung, technische Normen, das Urheberrecht, das Börsengeschehen vereinheitlicht, wird von alleine zusehen, dass am Ende auch seine Finanz-, Sozial-, Steuer- und Umweltpolitik nicht auseinander driftet. Die Politik hätte ihren Herrschafts- und Gestaltungsraum vergrößert. Große Chancen und Erwartungen lasteten auf ihr.
Zweitens: Der ökonomische Nutzen der Veranstaltung liegt auf der Hand. Ein Binnenmarkt dieser Größe und mit dieser Verlässlichkeit könnte günstig für beide sein, Investoren und Arbeitnehmer. Er würde Wachstumsimpulse auslösen, auch wenn die in ihrer Stärke nicht überschätzt werden dürfen. Doch wo das Kapital hinströmt, wird am Ende auch der Faktor Arbeit wachsen. Der Westen würde vor allem zurückgewinnen, was er teilweise verloren hat: Die Kraft nämlich, technische Standards zu setzen; wobei setzen in der Weltwirtschaft von heute durchsetzen meint.
Die imposanteste Wirkung einer solchen Megafusion der Märkte ließe sich aber zweifellos in Fernost erzielen. Die Boomregion der vergangenen anderthalb Jahrzehnte würde zu Recht aufhorchen. Die neue Botschaft würde lauten: Der Preis der Ware interessiert den Westen noch immer, aber genauso interessiert ihn die Art seines Zustandekommens. Länder, die in ihren Grenzen keine freien Gewerkschaften dulden, die Frauen und Kinder genauso ausbeuten wie die Natur, würden nicht länger mit Zollpräferenz verwöhnt.
Nach innen Freiheit - nach außen eine Festung
Der Vorteil, den sich die Angreiferstaaten durch ihr heutiges Verhalten zu verschaffen suchen, könnte sich erstmals als Nachteil erweisen. Die Freihandelszone wäre nach innen eine Freiheitszone, die ihren Bewohnern Mut macht, und nach außen wäre sie eine Festung, zumindest für jene, die sich bewusst ihren Werten verweigern oder diese gar mit Füßen treten. Der Fehler der Europäischen Union, die sich an den Außengrenzen bisher servil verhalten hat gegenüber den Feinden der Freiheit, die nahezu jedem Drittstaat das Recht auf gleiche Konditionen zugestand und so den Exklusivitätsvorteil der Mitglieder weitgehend zerstörte, wäre damit behoben.
Eine transatlantische Freihandelszone hätte Größeres im Auge als nur die Interessen der Import- und Exporthändler. Frieden in Freiheit war das Motto der Nato. Ein Wohlstand mit Werten wäre das Ziel der transatlantischen Freihandelszone, und einer dieser Werte wäre der feste Wunsch und Wille, dass dieser Wohlstand für möglichst alle gilt.
Der Gedanke eines selbstbewussten und daher wehrhaften Westens bewegt auch die Frau im deutschen Kanzleramt. In den seltenen Momenten, in denen es für Angela Merkel jenseits der Tagespolitik um strategische Weichenstellungen geht, rückt die transatlantische Freihandelszone in ihr Blickfeld: Einen Zusammenschluss der Gleichgesinnten sieht sie dann vor sich. Die asiatische Variante des alten Teile-und-Herrsche-Spiels, das darauf setzt, Europäer und Amerikaner gegeneinander in Stellung zu bringen, könnte auf diese Art zumindest erschwert werden. Die deutsche EU-Präsidentschaft ließe sich womöglich nutzen, dieses Jahrhundertprojekt anzuschieben.
Wenn Merkel von der Idee einer Freihandelszone spricht, denkt sie an das Ökonomische, aber nicht ausschließlich. Der Vorteil der Firmen lässt sich noch am ehesten auf Heller und Pfennig berechnen, wenn man an den Wegfall von Zöllen und die Beseitigung bürokratischer Regularien denkt. Aber zusätzlich tritt ein Nutzen hinzu, der unsichtbar ist, der auf dem Rechenschieber keinerlei Spuren hinterlässt, um dennoch die Topographie der Macht zu beeinflussen. Merkel spricht von den "nicht materiellen Werten", die auf diese Art erhalten und gestärkt würden. Ein den Nordatlantik umschließender Verbund von Demokratien und Marktwirtschaften würde gut tun nach all den Jahren, in denen die Globalisierungsangst überall in den westlichen Hauptstädten de facto Kabinettsrang besaß. Der Westen erhielte durch das neue Projekt neuen Lebensmut.
Die Sünden des Wachstums
Denn auch das lehrt die Geschichte des wehrhaften Westens: Wer seine Werte verteidigt, verbreitet sie. So wie die Helsinki-Konferenz 1975 einen großen Sog zugunsten der Menschenrechte im Ostblock erzeugte, so könnte auch die Idee des fairen Handels in Fernost verbreitet werden. Asien hat ein Recht zum Aufstieg. Aber: Der Westen darf mit gleichem Recht dafür kämpfen, dass seine Errungenschaften überleben.
Kann eine westliche Freihandelszone den Aufstieg der Asiaten wirklich verhindern? Die Antwort lautet: eindeutig nein. Das wird sie nicht schaffen und das ist auch nicht ihr Ziel. Was sie aber sehr wohl bewirken kann, ist den asiatischen Steigflug zu beeinflussen, seine Richtung so zu verändern, dass sich ihre und unsere Flugbahnen nicht ständig in die Quere kommen.
Klingt das nicht zu defensiv, lohnt denn dafür der ganze Kraftaufwand, den die Schaffung einer westlichen Freihandelszone ohne Zweifel bedeutet? Und ob! Aufstieg ist nicht gleich Aufstieg. Es gibt einen Aufwind, der am Boden Turbulenzen auslöst, und es gibt jene mildere Thermik, die andere mitzieht in die höheren Lüfte. Dieser Aufstieg verläuft womöglich weniger steil und schnell, aber er bedeutet nicht Zerstörung andernorts. Ja, das weltweite Wachstum würde sich verlangsamen. Aber das wäre nicht so tragisch, wie viele glauben. Das Wachstum der vergangenen Jahre war ohnehin ungenießbar geworden durch die vielen Sünden, mit denen es erkauft wurde, in Asien wie im Westen. Allzu viel von diesem Wachstum können wir uns nicht mehr leisten.
Eine transatlantische Freihandelszone würde ein Signal aussenden, das einer politischen Fanfare gleichkäme. Seht her, die Gleichgesinnten schließen sich zusammen. Die Herkunftsländer der Aufklärung fühlen sich zwar dem Individuum und seinen Freiheitsrechten verpflichtet, aber nicht in einer Ausschließlichkeit, die der kollektiven Kraftanstrengung entgegenstünde. Die Führung der Welt mögen am Ende andere übernehmen, aber sie wird ihnen weder willfährig angedient noch kampflos überlassen. Noch brauchen die Asiaten uns mehr als wir sie, sie dürsten nach westlichem Kapital, westlichem Know-how, und ohne die westlichen Absatzmärkte käme ihr Exportmotor schnell ins Stottern.
Niemand Geringeres als Henry Kissinger, der Altmeister der amerikanischen Außenpolitik, ermuntert die westlichen Regierungschefs, konkrete Schritte in Richtung einer solchen Freihandelszone zu wagen. Die Größe der Aufgabe solle niemanden schrecken. Die Aufgabe der Regierenden bestehe schließlich darin, sagt er, ihre Gesellschaften von dem Punkt, an dem sie stehen, dorthin zu führen, wo sie noch nie gewesen sind.
Quelle :
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